Zwischen Fabrikhallen und Birkenbäumen

07.06.'18 – J.F.


Man hört immer wieder von den kleinen, versteckten Orten und Projekten in der Überseestadt, in denen junge Kreative ihre Nische zum ungestörten Wirken gefunden haben. Von Proberäumen, Ateliers, kleinen Clubs. In einem von diesen Räumen befindet sich das Tonstudio Die Klangstube. Zwischen Fabrikhallen und Birkenbäumen ist es in einem Backsteingebäude in der Use Akschen Straße untergebracht. Doch was versteckt ist, sollte nicht unbedingt versteckt bleiben. An einem windigen und bedeckten Tag im Mai nimmt die Band Nia im Rahmen der Studio-Selection-Reihe ihren Song “Strange World” auf.

Hinter dem Projekt Klangstube stecken die beiden kreativen Köpfe Jessica und Sebastian, sie als Mediengestalterin zuständig für Gestaltung und Video, er als Sound Engineer für Ton. “In dieses Projekt sind viel Schweiß und Herzblut geflossen.”, berichtet Jessica, und scheint in Gedanken den Leidensweg nachzugehen, den die beiden von den Vorbereitungen in Frühjahr 2016 bis zur Eröffnung im Sommer 2017 zurücklegen mussten. So wurde aus dem Raum zuerst alles entfernt, was nicht gebraucht wurde, und dem optimalem Klang im Wege stehen könnte. Dann wurde von den zwei Zimmermännern Pit und Dietrich eine Raum-in-Raum Konstruktion gebaut. Anschließend wurde der Raum mit ökologisch nachhaltigen Materialien wie Holz, Lehm und Holzfaserdämmstoff schalldicht gemacht. Um dann im letzten Schritt alles einzurichten und eine angenehme Recording-Atmosphäre zu schaffen. Und immer wieder fehlte das Geld, was durch eine Crowdfunding-Kampagne und viele Überstunden kompensiert wurde. Und jetzt ist es seit ca. einem Jahr fertig, und wirklich gut geworden. Aufnahme- und Aufenthaltsraum sind ansprechend gestaltet, angenehm eingerichtet und passend ausgeleuchtet. Und noch wichtiger: der Aufnahmeraum funktioniert so wie ein Aufnahmeraum funktionieren sollte. Durch zahlreiche mobile Dämmplatten und - objekte kann der Raum an die verschiedensten Besetzungen angepasst werden, um so den optimalen Klang zu schaffen. Jessica und Sebastian wirken stolz, wenn sie von dem Studio und seiner Geschichte erzählen. Die beiden sind seit vielen Jahren ein Paar, beste Freunde, und jetzt auch Arbeitskoleg*innen. Angefangen hat alles weil Sebastian mit seiner Punkrock-Band einen Schlagzeuger gesucht hat - und in Jessica eine Schlagzeugerin gefunden hat. Seitdem gehen die beiden einen gemeinsamen Weg.

Genau so, wie die Mitglieder der Band Nia seit einigen Jahren auch. Ursprünglich aus dem Ruhrgebiet stammend gibt es die Band um die

Singer / Songwriterin Antonia seit ungefähr einem Jahr in einer Bremer Besetzung. Dabei kennen sich Kontrabassist Jakob und Antonia noch aus der gemeinsamen Zeit in Dortmund, Schlagzeuger Tobias und Posaunist Erik hat Antonia dann im Rahmen des Jazz-Studiums an der Bremer Hochschule für Künste kennen gelernt. Für die Band ist das Angebot des Tonstudios, zu Promo- Zwecken eine gratis Live-Aufnahme zu machen eine willkommen Möglichkeit. Genau so profitiert das Tonstudio weil es so mehr Referenz-Aufnahmen gibt - eine klassische Win-win-Situation also.


Geben und Nehmen, das ist wichtig für junge Kreative wie Jessica und Sebastian, genau so wie für die Band Nia. Sich miteinander vernetzen und gegenseitig unterstützen. So versuchen beide Projekte den nächsten Schritt zu gehen - zuletzt durch erfolgreiche Netzwerkarbeit auf der Jazz-Fachmesse-jazzahead! Um sich selbstbewusst zu zeigen und eigeninitiativ das eigene Projekt voranzubringen. Denn was bisher vielleicht noch versteckt ist, sollte nicht unbedingt versteckt bleiben.

 

von Jakob Fraisse